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Von Dean Andromidas
Jüngste Besuche von vier europäischen Außenministern in China und des chinesischen Spitzendiplomaten Yang Jiechi in Europa machen deutlich, daß die EU nicht in der Lage ist, eine engere Kooperation zu unterbinden.
Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China sind eingefroren, wenn nicht zerrüttet, seit die EU, die USA, Großbritannien und Kanada am 22. März unter dem Vorwand von „Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang“ Sanktionen gegen China verhängten. China antwortete auf diese Einmischung in die inneren Angelegenheiten umgehend mit Gegensanktionen, die noch am selben Tag wirksam wurden. Der Graben vertiefte sich mit der Entscheidung des Europäischen Parlaments am 20. Mai, die Ratifizierung des Umfassenden Investitionsabkommens (CAI) zwischen der EU und China auszusetzen. Das Abkommen wäre das bisher wichtigste zwischen der EU und China gewesen und erfreute sich in europäischen Wirtschaftskreisen großer Unterstützung.
Aber viele europäische Länder, auch EU-Mitglieder, erkennen durchaus, daß ein Abbruch der Beziehungen zur dynamischsten und zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt Irrsinn wäre, und sie stellen die Interessen ihrer Länder über die geopolitischen Spiele und Provokationen der transatlantischen Chinafeinde. Diese Länder arbeiten daran, ihre bilaterale politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit auszubauen, besonders bei der Handelsinfrastruktur und bei der Integration in die Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI). Zudem gibt es weitere Plattformen für die Zusammenarbeit, darunter die sog. „17+1“-Gruppe1 aus mittel- und osteuropäischen Ländern (CEEC) und China – darunter mehrere Länder, die kein EU-Mitglied sind. Litauen hat versucht, diese Zusammenarbeit zu stören, indem es kürzlich aus der Gruppe austrat und die anderen Mitglieder aufforderte, sich der antichinesischen Politik der EU anzuschließen, jedoch mit wenig Erfolg. 11 der jetzt 16 europäischen CEEC-Mitgliedsstaaten sind EU-Mitglieder.
Ein auffälliges Zeichen des Widerstands gegen die Anti-China-Kampagne war es, als am letzten Maiwochenende gleich vier europäische Außenminister China offizielle Besuche abstatteten, sich mit Staatsrat und Außenminister Wang Yi trafen und ihren Wunsch nach Zusammenarbeit bekräftigten. Es handelte sich um die Außenminister Polens, Irlands und Ungarns, alle drei EU-Staaten, sowie um den Außenminister Serbiens, das ein Beitrittskandidat zu dem 27-Nationen-Block ist. Alle vier lobten Chinas Entwicklung und dankten dem Land für seine Unterstützung bei der Bewältigung der COVID-19-Pandemie. Wang nannte als Bereiche der Zusammenarbeit Handel, Logistik, Gesundheitswesen, technologische Innovation, Energie, die digitale Wirtschaft und die innovationsgetriebene Wirtschaft, und er rief dazu auf, neue Schwerpunkte des Wachstums in den bilateralen Beziehungen zu schaffen. Alle vier Außenminister warben für eine Ausweitung der chinesischen Investitionen.
Bezeichnenderweise betonten die Vertreter der drei EU-Länder die Bedeutung des CAI und der Wiederaufnahme der Verhandlungen in einer Atmosphäre des Dialogs. Serbien, Polen und Ungarn riefen dazu auf, weiter am Aufbau einer Plattform für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und den mittel- und osteuropäischen Staaten zu arbeiten.
Bei seinem Treffen mit dem polnischen Außenminister Zbigniew Rau am 29. Mai schlug Wang vor, daß die beiden Länder den 14. Chinesischen Fünfjahresplan (2021-25) und Polens Programm für die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie, in das auch EU-Fördergelder einfließen, abgleichen. Rau seinerseits sagte, Polen hoffe darauf, den Export landwirtschaftlicher Erzeugnisse nach China sowie die Kooperation in den genannten Bereichen auszubauen. Trotz des Drucks, die Beziehungen zu China abzubrechen, weiß Polen diese Beziehungen zu schätzen, nicht zuletzt, weil es inzwischen ein Knotenpunkt der zukunftsträchtigen Eisenbahnverbindungen zwischen Europa und China geworden ist.
Bei seinem Treffen mit dem irischen Außen- und Verteidigungsminister Simon Coveney am 31. Mai betonte Wang, daß Irland seit einem Jahrzehnt einen Handelsüberschuss mit China hat. Coveney wünschte eine Vertiefung der Zusammenarbeit mit China in den Bereichen Internetsicherheit, Luftfahrt, Klimaschutz und Friedenssicherung. In derselben Woche fand vom 28.-29. Mai in Irlands zweitgrößter Stadt Cork der 7. Chinesisch-Irische Wirtschaftsgipfel statt, eine zweitägige virtuelle Veranstaltung, an der Regierungsvertreter, Wirtschaftsführer, Experten und Wissenschaftler beider Seiten teilnahmen. Vor dieser Veranstaltung hatte der irische Staatsminister im Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Meere, Martin Heydon, erklärt: „Mein Ziel ist es, die positiven Handelsbeziehungen in den kommenden Jahren zu festigen und weiter auszubauen.“
Serbiens Außenminister Nikola Selakovic dankte China für die Lieferung von Covid-Impfstoffen und für seine Investitionen in die Infrastruktur. Sowohl er als auch Wang betonten, daß sie ihre Zusammenarbeit im Rahmen der BRI verstärken werden.
Kaum war Selakovic nach Belgrad zurückgekehrt, sagte der serbische Präsident Aleksandar Vucic am 1. Juni in einer Sendung auf Happy TV, sein Land werde Sanktionen gegen Russland und China nicht zustimmen. Vucic erklärte:
„Wir sind auf dem Weg in die EU. Serbien ist ein militärisch neutrales Land. Im Gegensatz zu einigen anderen Staaten, die auf dem europäischen Weg sind, wird Serbien seine Beziehungen nicht ruinieren und hat großartige Beziehungen zu China und Rußland. Wir werden keine Sanktionen verhängen, weder gegen China noch gegen Rußland – Punkt. Das ist unsere Politik, das ist kein Abwägen, das ist die beste Politik, die sich beim Coronavirus, beim Kauf von Impfstoffen wie auch bei anderem bewährt hat. Das ist die beste Politik für die Bürger des Landes, und da gibt es nicht viel nachzudenken. Wir werden diese Politik so lange fortsetzen, wie wir in der Lage sind, sie zu betreiben.“
Sowohl China als auch Rußland beteiligen sich stark an der Erneuerung und dem Ausbau des serbischen Eisenbahnnetzes, insbesondere entlang des Europäischen Transportkorridors 10, der den griechischen Hafen Piräus mit Nordmazedonien, Serbien und Ungarn verbindet. China hält eine Mehrheitsbeteiligung an dem Hafen und hat Piräus zum größten Containerhafen am Mittelmeer gemacht. Ein Beleg für die Bedeutung dieses Korridors und für Chinas Rolle ist, daß der Schienenspediteur PEARL S.A., ein Joint Venture griechischer Firmen und der chinesischen Reederei Cosco, die den Hafen betreibt, die Anzahl der Güterzüge entlang des Korridors enorm erhöhen konnte: von 64 Zügen pro Jahr, als er 2019 den Betrieb aufnahm, auf 1300 Züge Ende 2020 – eine Steigerung um 1900%. China baut nun das entscheidende Teilstück dieses Schienenkorridors mit einer Hochgeschwindigkeits-Bahnverbindung von Belgrad nach Budapest.
Ungarns Außenminister Peter Szijjarto überreichte Wang bei ihrem Treffen am 31. Mai den ungarischen Verdienstorden. Szijjarto sagte dazu, Wang habe während der Coronavirus-Pandemie seine Freundschaft bewiesen; indem er Ungarn die Möglichkeit bot, Impfstoff von Sinopharm zu kaufen, habe Wang „geholfen, die Sicherheit von einer Million Menschen in Ungarn zu gewährleisten“. Nach ihrem Treffen sagte Szijjarto, Ungarns geplante Impfstoff-Fabrik werde unter anderem für die Produktion chinesischer Impfstoffe gegen COVID-19 ausgerüstet werden, und betonte, die Vereinbarung bedeute einen „großen strategischen Vorteil“ für Ungarn.
Erst am 2. Mai hatte Ungarn ein Abkommen mit der Fudan-Universität in Shanghai darüber geschlossen, in Budapest einen internationalen Campus für bis zu 6000 Studenten zu errichten. Dies wird der erste chinesische Universitätscampus in der Europäischen Union sein und wird auch chinesische Investitionen und Forschung ins Land bringen.
Kurz vor dem Besuch der vier Außenminister hatte der chinesische Spitzendiplomat Yang Jiechi am 25. und 26. Mai Slowenien und Kroatien besucht, nachdem er am Vortag die chinesische Delegation bei der 16. Runde der Chinesisch-Russischen Strategischen Sicherheitskonsultation in Moskau geleitet hatte. Ganz oben auf der Tagesordnung seiner Treffen standen Gespräche über die Umsetzung der Ergebnisse des jüngsten Gipfels der Staats- und Regierungschefs der „17+1“, der beide Länder angehören. Kroatien und Slowenien nutzen die bilateralen Chancen der Kooperation mit China im Rahmen der BRI, und China ist besonders am Ausbau ihrer Adriahäfen interessiert.
Am 26. Mai traf Yang mit dem slowenischen Präsidenten Borut Pahor zusammen, der seinem Gast sagte, Slowenien und China verbinde eine tiefe Freundschaft, und die Beziehung stehe auf einem soliden Fundament. Slowenien sei bereit, die für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit zu vertiefen. Wenn es in der zweiten Jahreshälfte 2021 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, stehe es bereit, einen positiven Beitrag zur Förderung der Beziehungen zwischen der EU und China sowie zur Zusammenarbeit der mittel- und osteuropäischen Staaten mit China zu leisten.
Am 27. Mai traf Yang in der kroatischen Hauptstadt Zagreb separat Präsident Zoran Milanovic, Ministerpräsident Andrej Plenkovic und Parlamentspräsident Gordan Jandrokovic. Laut der Erklärung des chinesischen Außenministeriums bezeichneten die kroatischen Vertreter die kroatisch-chinesische Freundschaft als „fest wie ein Diamant“.
Als Teil der Einbindung Kroatiens in die BRI haben kürzlich chinesische Investoren die Mehrheit an dem kleinen kroatischen Hafen Zadar erworben und bekunden Interesse an der Renovierung und Modernisierung der Eisenbahnlinien, die den Hafen mit dem weiterführenden Verkehrsnetz verbinden. Die von China finanzierte Peljesac-Brücke zur Verbindung von zwei Landesteilen Kroatiens, die durch Territorium von Bosnien-Herzegowina voneinander getrennt sind, wird derzeit gerade fertiggestellt.
Dem kleinen Land Montenegro, das Mitglied der 17+1 und der NATO, aber nicht der EU ist, hat China nach einem Telefongespräch von Präsident Xi Jinping mit Montenegros Präsident Milo Djukanovic am 26. Mai einen Schuldenerlass gewährt. China bewilligte den Aufschub des Schuldendienstes für ein Darlehen zur Finanzierung der Montenegro-Autobahn, die den Hafen Bar an der Adria mit dem Nord-Süd-Korridor 10 verbindet. Das Nachrichtenportal Euroactiv zitierte Djukanovic, diese Autobahn sei ein historisches Infrastrukturprojekt, dessen erstes Teilstück bis Ende November fertiggestellt werden soll.
Wegen pandemiebedingter finanzieller Schwierigkeiten konnte Montenegro die erste Rate des Kredits, den Chinas Exim Bank 2014 zu 2% Zinsen gewährt hatte und dessen sechsjährige tilgungsfreie Zeit ablief, nicht aufbringen. Westliche Medien verbreiteten Schauermeldungen, im Falle eines Zahlungsausfalls würden die Chinesen vertragsgemäß montenegrinischen Staatsbesitz beschlagnahmen – und die EU-Kommission lehnte ein Hilfegesuch der montenegrinischen Regierung ab. Wenn Brüssel sich darüber beschwert, daß China immer mehr Einfluss in Ost- und Südeuropa gewinnt, kann es nur sich selbst die Schuld geben.
Die Logik der Zusammenarbeit mit China wird automatisch dafür sorgen, daß dies nicht die letzten klaren Signale europäischer Länder sein werden, die ihre nationalen Interessen über die gefährlichen Versuche geopolitischer Spiele in der Tradition des Britischen Empire stellen.
Anmerkung
1. Mitglieder der „17+1-Gruppe“ aus China und den mittel- und osteuropäischen Ländern sind Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, China, Estland, Griechenland, Kroatien, Lettland, Montenegro, Nordmazedonien, Polen, Rumänien, Serbien, die Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Litauen war ebenfalls Mitglied, trat aber unter dem Druck der Anti-China-Lobby in der EU Anfang des Jahres aus der Gruppe aus.